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Der Schatz im Mülleimer

Er hat nicht schlecht gestaunt, als er in den Papierkorb schaute. Geheimnisvolle, vermutlich uralte Schriften lagen darin. Gelbliche brüchige Pergamentblätter, die, wie ein Mönch im Vorbeigehen bemerkt hat, in Kürze verbrannt werden sollten. Einige seien schon im Ofen. Und diese hier auch bald, es sei denn, er wolle noch etwas damit anfangen.

Er, das war Konstantin von Tischendorf, ein Bibelforscher aus Leipzig. Die Mönche im Katharinenkloster am Berg Sinai, bei denen er zu Gast war, haben nicht geahnt, welchen Schatz sie da verbrennen wollten. Uralte Bibelhandschriften des Neuen Testaments waren es. Mit die Besten, die bis heute erhalten sind. Und zwar fast im Original. Auf der Suche nach dem, was Jesus tatsächlich gesagt und getan hat, war damit ein Riesenfortschritt erreicht. 43 der geretteten Blätter durfte Tischendorf mit nach Deutschland nehmen, die restlichen 86 blieben im Kloster. Dort verschwanden sie erst einmal. Nur durch einen Zufall ist es Tischendorf bei einem späteren Besuch im Kloster gelungen, auch die wieder zu entdecken. Und zwar in der Bibel des Klosterverwalters. Der hatte sie, ohne ihre Bedeutung zu kennen, in seiner persönlichen Bibel zwischen den Seiten sicher aufbewahrt.

Und noch eine Überraschung: Alles in allem waren es weitaus mehr als 86 Blätter, die der Verwalter in der Zwischenzeit gefunden und zu den anderen der alten Handschrift gelegt hatte. So kam es, dass Tischendorf zum Schluss fast die komplette Bibel mit Altem und Neuem Testament vor sich hatte: Ein atemberaubender Fund, ein Meilenstein in der Geschichte der Bibelwissenschaft, eben noch aus dem Mülleimer gerettet.