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Der Frachter Maria

In Häfen kann man sie oft sehen: Containerschiffe. Diese riesigen Kolosse, mit den bunten Blechkästen – wie Hochhäuser auf dem Meer. Denken Sie dabei an Advent? Ich eher nicht. Aber es gibt eine Verbindung: Da wäre die Sache mit dem viel besungenen Frachtschiff. Sie kennen das Lied: „Es kommt ein Schiff geladen bis an sein höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.“ Zwar wissen wir, dass Jesus öfter mal Boot gefahren ist, aber das hat nichts mit diesem Adventslied zu tun.

Vor vielen hundert Jahren lebte ein Mann in Straßburg. Er hatte den Rhein vor Augen – wie er dahinfloss, der große Strom, mit all den Schiffen. Vollgepackt, um ihre Fracht in alle Welt zu bringen. Mag sein, dass dem Mann da die Ähnlichkeit der Schiffe mit einer schwangeren Frau aufgefallen ist, die Behäbigkeit, das Langsame. Auf jeden Fall ist ihm dabei Maria mit dem Kind in den Sinn gekommen: Der Dichter schaut auf den Rhein, sammelt die Bilder und kombiniert sie mit theologischen Aussagen – auf der einen Seite die Schifffahrt, auf der anderen das, was die Bibel über Maria und Jesus erzählt. Zwei Welten, zwei Rhythmen – auch in der Melodie: Zunächst tief und schleppend, wie träge Wellen, dann mit Schwung sich nach oben schraubend, in Richtung Himmel. Die Melodie ist älter als der Text, stammt aber wohl aus Köln, auch eine Stadt am Rhein! Das Schiff, vollgeladen, ist also Maria, die Schwangere. Ihr Sohn ist Gottes Sohn, sein ewiges Wort. Das soll nun zu uns kommen.

Der Straßburger Dichter vom Rhein bleibt in den drei ursprünglichen Strophen bei den Bootsmetaphern: Das Schiff gleitet dahin, still im Triebe. Es fährt nicht aus eigener Kraft: Es wird angetrieben von Liebe und heiligem Geist. Die geben ihm Bewegung und Richtung. Und dann kommt es an. Der Anker wird ausgeworfen. Er haftet auf der Erde, hier bei uns. Und hier bei uns soll er wohnen, der Sohn Gottes, der Sohn Marias. „Das Wort will Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt”, heißt es im Lied. Gott wird Mensch. Das schwere Frachtschiff als Weihnachtsbild. Geladen bis an sein höchsten Bord. Bald ist es soweit…