„Der Al Capone von der Pfalz“
„Das Zimmer ist nahezu unverändert. Noch immer die blau-graue Tapete mit den Silberstreifen, die vergilbte Lampe mit den Fransen und die braue alte Standuhr, in der er als Kind immer eines von den sieben Geißlein vermutet hatte.“ Das sind Worte aus dem biographischen Roman „Al Capone im deutschen Wald“. Mit ihnen beschreibt der Autor Michail Krausnick den Moment, als der Räuber und Mörder Bernhard Kimmel nach vielen Jahren in sein Elternhaus in Lambrecht bei Neustadt zurückkehrt.
Gerade wegen guter Führung vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, besucht Kimmel – der sogenannte „Al Capone von der Pfalz“ – seine im Sterben liegende Mutter. Ihr Schlafzimmer ist unverändert. An den Wänden liest Kimmel die frommen Sprüche „Der Herr ist mein Hirte“ und „Christus ist unser Heil“. Die Worte erinnern Kimmel an früher. An die ernste Miene der Mutter, weil er seinen Eltern nicht in ihrem Glauben folgen wollte. Daran, dass jedes Komma in der Bibel für seine Mutter Gottes Wort gewesen ist. Daran, wie wütend er war, als seine Mutter gegen seinen Willen für sein Seelenheil gebetet hatte.
Aber als er da am Sterbebett seiner Mutter steht, hat Kimmel plötzlich auch andere Gefühle: Nach seiner Verhaftung hatten sich Freunde und Verwandte von ihm, dem Räuberhauptmann und Polizistenmörder abgewandt. Seine Mutter jedoch hatte nicht nur für ihn gebetet, sondern als Einzige all die Jahre zu ihm gehalten, ihn im Gefängnis besucht und versorgt. Gut möglich, dass Kimmel sich auch wegen dieser Mutterliebe verändert hat. Noch während der Haft hatte er begonnen, Skulpturen zu erschaffen. Und schließlich ist er ein anerkannter Künstler geworden.
Bernhard Kimmel findet am Sterbebett eine späte Versöhnung mit seinem stark religiös geprägten Elternhaus. Mich erinnert seine Geschichte an das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Darin nimmt der Vater nimmt seinen Sohn nach dessen Rückkehr wieder freundlich auf. Und das, obwohl der Sohn seinem Elternhaus vor langer Zeit den Rücken gekehrt und sich in der Fremde allerlei Eskapaden geleistet hatte. Auch wenn die Mutter von Bernhard Kimmel ihren Sohn nicht mehr erkennen konnte – unsere Gesellschaft hat ihm eine neue Chance gegeben, die er zu nutzen wusste.