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De Weiße Louis

Es war kein gutes Jahr für ihn, dieses 1923. Ludwig Weiß, de Weiße Louis, war mein Urgroßvater. Lokführer auf einer mächtigen Dampflok. Aber wo wird er mit seiner Lok stationiert? Neustadt an der Weinstraße oder in Homburg? Davon hing ab, wo er ein Häuschen für sich und seine Familie kaufen würde. Die Reichsbahn ließ sich Zeit bei ihrer Entscheidung. So lange, bis die Inflation kam. Vom sauer gesparten Geld meines Urgroßvaters blieb am Ende nichts übrig. Der Traum vom eigenen Häuschen war geplatzt, es blieb für den Rest seines Lebens bei der Mietwohnung. So wie ihm erging es damals vielen in Deutschland. Wertlose Geldscheine mit unzähligen Nullen, am besten direkt ausgegeben, weil sie am nächsten Tag nichts mehr wert waren. Massenelend und ein bis heute besonderes Verhältnis der Deutschen zum Geld sind die Folge. Vor allem aber war es das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Auch, wenn ich selber noch so viel arbeite, spare, schufte, dann kann mich das Elend wieder einholen. Vor diesem Gefühl steht heute mehr als nur eine Volkswirtschaft dieser Erde. Wieder wird Geld neu verteilt, Existenzen vernichtet und das Gefühl für Ungerechtigkeit wächst. Eine spannende Herausforderung für die Weltgesellschaft der Zukunft. Dass sie solidarisch und friedlich zu Lösungen kommt – oder am Ende Tränen, Trauer und Krieg erlebt. Hundert Jahre später fühlt man sich zurückversetzt, in der Hoffnung, dass die Menschheit daraus gelernt hat. Mein Urgroßvater hätte davon ein Lied singen können.