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Dazwischen

Kaum eine andere Zeit im Jahr ist so dazwischen wie diese. „Zwischen den Jahren“ – zwischen Weihnachten und Neujahr. Zwei klassische Anfangsfeste: Die Geburt Gottes und der Anfang des neuen Jahres folgen in sehr nahem Abstand aufeinander – und dazwischen? Dazwischen gibt es alles: von „driving home for christmas“ bis „Familiendrama“; von glanzvollen Jahresrückblicken bis „nächstes Jahr machen wir das alles anders – im nächsten Jahr mache ich sowieso alles anders!“ Von „ich muss zwischen den Jahren arbeiten“ bis „ich langweilige mich zu Tode“. Zwischen den Jahren ist ein bisschen wie zwischen den Stühlen. Aufgeladen und fordert zu Entscheidungen heraus. Alles so weiter – oder alles ganz anders? Im Volksmund heißen die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und sechstem Januar „Raunächte“ und sie gelten als mystisch und sogar gefährlich. Dazwischen eben, zwischen Raum und Zeit, zwischen Leben und Tod. In den Zeiten dazwischen brauchen Menschen besonders viel Mut und Kraft, so geht es mir jedenfalls. Mut und Kraft, um wieder in die Gänge zu kommen, um Manches abzuschließen oder einfach auch loszulassen und Neues zu beginnen. Ganz häufig finde ich dabei Zuspruch in der Jahreslosung, einer Bibelstelle, die als Leitvers für ein Jahr ermittelt wird.

Die Losung für 2023 kommt aus dem Mund einer jungen Frau. Einer Mutter, die im wahrsten Sinne des Wortes dazwischen steht. Zwischen allen Stühlen in einer scheinbar ausweglosen Situation – am Rande des Lebens – und ihr Kind schon fast auf der Seite des Todes. Doch gerade da begegnet sie Gott, begegnet Gott ihr und sie ist sich sicher: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Gesehen – angesehen werden – besonders in den gefährlichen Zwischenzeiten, kann Mut und Kraft geben. Ich bin eben nicht allein. Es gibt einen, der mit mir geht, eine die mich anschaut, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Die mit mir in die Knie geht, um mir dann die Hand zu reichen – mitten im Dazwischen. „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Das Gefühl, angesehen und wertgeschätzt zu werden, den Mut, Dinge abzuschließen und loszulassen und die Kraft, Neues zu beginnen, das wünsche ich ihnen für die Zeit dazwischen und darüber hinaus.

 

Hier der Link zum Beitrag in der ARD-Mediathek: https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-29-12-2022/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTIyODkz