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Begegnung

Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Meinte der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber. Und er würde mit uns jammern über Kontaktbeschränkungen, Berührungsängste und Besuchsverbote in Corona-Zeiten. Natürlich sind die Beschränkungen im Moment nachvollziehbar. Kontakte sollen möglichst vermieden werden. Keiner soll dem anderen zu nahe kommen. Zum Wohl der eigenen Gesundheit, aber auch, um den anderen zu schützen.

Alte Leute bitte nicht besuchen. Ein gut gemeinter Ratschlag. Und sicher richtig. Aber die Alten leiden, weil ihnen die Begegnung fehlt. Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Das Virus hat uns seit einem guten Vierteljahr in der Begegnung eingeschränkt. Und, hier verstehe ich gut, was Martin Buber meint: durch die fehlende Begegnung fehlt das Leben. Nur mit anderen Menschen zusammen erlebe ich die Welt als sinnvoll. Mit ihnen zu reden, mit ihnen zusammen zu sein. Auch: sie lieben zu dürfen. Das erst macht Leben zu lebenswertem Leben. Anders gesagt: nur der Blick auf den Rest der Welt macht mich selber zu einem kompletten Menschen. Ohne Fenster nach draußen fehlt mir der Blick für die eigene Seele, für das eigene richtig gelebte Leben.
Lockerungen der Corona-Beschränkungen konnte ich immer gut verstehen. Weil sie dieser Schrei nach Leben waren. Auch wenn ich ein wenig Angst hatte, dass die Lockerungen doch zu früh zu kommen, doch wieder den Tod zu bringen.

Verantwortliche Entscheidungen – das ist es, was wir in dieser Frage brauchen.  Aber über Allem eben den Traum vom Leben nicht verlieren. Leben, das erst durch die Begegnung mit anderen zu wirklichem Leben wird.