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Antlitz

Eine Frau steht in der Küche, ihr Handy am Ohr, und sagt:  „Komm doch vorbei! Ein paar von den andern treffen sich nachher bei mir, und wir starren dann gemeinsam auf unsere Handies!“

Okay, diese Frau gibt’s natürlich nicht wirklich. Ich habe eben eine Karikatur aus Zeitung beschrieben. Aber wie alle Karikaturen trifft sie einen wahren Kern, wenn auch überspitzt: Unsere Kontakte mit anderen laufen zunehmend über diese kleinen Maschinen, selbst wenn wir uns körperlich ganz nahe sind.

Wie oft begegne ich Gruppen von jungen Leuten, die nebeneinander herlaufen, und jeder bedient daumenflink sein eigenes Smartphone?  Das ihn mit jemand oder etwas ganz Anderem verbindet.

Ich muss zugeben, das hat gelegentlich auch was Gutes. Ich unterrichte in einer Schule, und muss feststellen: Das früher übliche Getusche, Gemurmel und Gekicher derer, die am Unterricht nicht wirklich teilnehmen, ist einer seltsamen Stille gewichen. Die Nichtteilnehmer sind mithilfe ihrer Smartphones und Tablets nämlich ganz woanders. Was natürlich dem Unterricht auch nicht nur dient! Ich bin altmodisch. Ich schätze noch direkten Kontakt. Von Gesicht zu Gesicht. Je mehr die Gesichter verschwinden, weil sie alle vornüber über ihre Smartphones gebeugt sind, desto mehr wünsche ich sie mir zurück. Wir können uns doch sehen lassen! So wie der Dichter Matthias Claudius das einmal gesagt hat:

„Ich danke Gott und freue mich

wie’s Kind zur Weihnachtsgabe,

dass ich bin! Bin! Und dass ich Dich,

schön’s menschlich Antlitz, habe“.