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Anfänge

Dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt, ist Lena noch nicht so klar. Für sie hat diese Woche „der Ernst des Lebens“ angefangen. Seitdem sitzt sie mehr als sonst still auf einem Stuhl und versucht, ihrer neuen Klassenlehrerin zu zuhören. Nicht immer gelingt es ihr: „Die guckt aber auch echt streng!“

Lena weiß auch noch nicht genau, ob sie es wirklich so mag – das mit den Buchstaben und den Zahlen.

Für Max hingegen ist „dieser Ernst“ längst Alltag. Und doch nimmt er seit Montag neue Fahrt auf. Denn für ihn beginnt mit der Abschlussklasse das Ende der Schulzeit und Prüfungen klopfen an. Er weiß noch nicht, ob er den Abschluss überhaupt schafft. Und wenn ja: ob der gut genug ist – für …  – ja, für was eigentlich? „Was mache ich überhaupt danach?“

Für Sabine ist dagegen seit gestern das Berufsleben zu Ende – nach 40 Jahren. Und doch steht sie vor derselben Frage wie Max: „Was mache ich eigentlich danach?“ und „Werde ich überhaupt noch gebraucht?“ Gestern haben wir sie verabschiedet. Wir werden sie schmerzlich vermissen. Und doch freuen wir uns auch für sie und den Anfang, der jetzt vor ihr liegt, die freie Zeit und die neuen Möglichkeiten.

Wie wird das werden? Werde ich das schaffen? Und – Was bleibt unterm Strich für mich?

Anfänge – mitten im Leben – fordern heraus nachzudenken über das Leben und über mich selbst. Und schnell merke ich, die Rechnung geht nicht einfach so auf. Da gibt es keine leichten Lösungen, keinen Algorithmus, der schon vorher weiß, was mir gefällt und was aus mir wird. Denn das Leben ist mehr als die Verarbeitung von Daten und vermeintlich sicheren Zahlen.

Ich glaube, für die Anfänge mitten im Leben braucht es ein echtes Gegenüber:

„Hab keine Angst, Du schaffst das! Ich steh dir bei, egal, was da Neues auf dich zukommt!“

Als Mut-Wort gesprochen von einem Freund, als Glanz in den Augen einer Freundin, als Gefühl der Geborgenheit beim Spaziergang durch den Wald. Momente, in denen ich spüre, dass das Leben aufregend unberechenbar und immer mehr als die Summe seiner Teile ist. Augenblicke, die zeigen, dass wir nicht selbst die Schöpferinnen und Schöpfer dieser Welt sind, sondern Geschöpfe der unberechenbaren Liebe. Diese Liebe drückt sich nicht in Nullen und Einsen, sondern in Vertrauen und Erfahrung, Lebenskraft und Zuversicht aus. Für mich ein anderer Begriff für Gott.

Diese unberechenbare Liebe zu spüren – das wünsche ich allen, die in diesen Tagen Anfänge wagen.

Hier der Link zur ARD-Mediathek: https://www.ardmediathek.de/video/aus-christlicher-sicht/aus-christlicher-sicht-07-09-2023/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9BQ1NfMTMxNDYz