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Anständig in den Süden

Es war einer dieser Samstage, an denen sich gefühlt halb
Frankreich auf den Weg in die Sommerferien macht.
Kilometerlang stockender Verkehr und Stau im Wechsel, das
Ganze bei brütender Hitze. Und meine Familie und ich
mittendrin – auf der Autoroute du Soleil Richtung Südfrankreich.

Irgendwo – auf einer Raststätte hinter Lyon – war eine Pause
fällig. Das Problem war bloß: Vor der Damentoilette war
genauso viel Betrieb wie auf der Autobahn- quengelnde Kinder,
genervte Mütter, verschwitzte Omas und eine erschöpft wirkende
Klofrau, die mit Saubermachen kaum hinterherkam.

Aggression lag in der Luft. Geht das nicht ein bisschen schneller
da vorne? Wehe, wenn eine vordrängelt! Doch dann geschah
etwas Überraschendes: Eine junge Frau mit Kopftuch hat sich
beim Rausgehen an die Klofrau gewandt und freundlich gesagt:
„Merci!“.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit… – aber jetzt ging ein
spürbarer Ruck durch die Warteschlange. Die Menschen rissen
sich ein bisschen zusammen; die Stimmung wurde sofort
merklich entspannter. So als ob alle plötzlich gemerkt haben:
Mensch, wir sind doch auf dem Weg in den Urlaub! Selber
schuld, wenn wir alle gleichzeitig nach Süden wollen – kein
Grund, seinen Anstand zu vergessen!

Viele sind dann dem Beispiel der jungen Muslima gefolgt, haben
der Klofrau ein nettes Wort gesagt oder ihr Trinkgeld gegeben.
Das hat ihren Job sicherlich nicht leichter gemacht an diesem
Wochenende. Aber vielleicht ein bisschen erträglicher.