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Barmherzigkeit

An einer Kreuzung bei uns im Ort sehe ich den Mann oft: Er steht am Straßenrand und verkauft eine Zeitung, die von Obdachlosen gemacht wird. Meistens kaufe ich ihm eine ab. Ich habe dann das Gefühl:  Der arbeitet doch für das Geld, das er von mir haben will.  Und ich bekomme was dafür. Irgendwie ist mir so was sympathischer, als wenn mir jemand eine Gehbehinderung vortäuscht, einfach nur dasitzt oder mich anschnorrt: „Haben Sie mal ‘nen Euro für mich?“ Wenn ich dann nachfrage: „Wofür?“ kommt häufig die Antwort, dass dieses Geld noch für die Busfahrkarte nach Hause fehlt oder um etwas zu essen zu kaufen. Will ich dann mit in den nächsten Laden gehen, verschwindet der Schnorrer unterwegs irgendwann.

Ob man Menschen, die um Geld betteln, dieses geben soll, ist umstritten. Kritiker – auch aus Kreisen, die sich beruflich um Obdach- und Mittellose kümmern – sagen, dass man mit solchen Almosen häufig nur die Alkohol- und Drogenabhängigkeit solcher Menschen unterstützt. Befürworter argumentieren hingegen so:  Der Kopf sagt vielleicht: Nein, denn das Geld könnte ja in Alkohol oder Schlimmeres fließen. Das Herz sagt hingegen: Ja, warum nicht? Der braucht den Euro sicher dringender als ich. Aber – auch das ist wichtig: Mein Euro kann ein Zeichen der Zuwendung sein; aber darin darf sich die Zuwendung nicht erschöpfen. Wirkliche Barmherzigkeit will dem Menschen an der Wurzel helfen: im Moment und darüber hinaus.

Eine Möglichkeit dafür wäre zum Bespiel ein bedingungsloses Grundeinkommen, das jedem Menschen von Geburt an zusteht. Überall in Europa wird das mittlerweile ausprobiert. Warum nicht auch bei uns?