Wütend auf Gott
„Alle haben gesagt, dass man das nicht darf!“ Tim zerknüllt das Taschentuch in seinen Händen. „Warum hat mir denn noch nie jemand gesagt, dass man auch so mit Gott reden kann?“ Nach der offenen Trauergruppe ist der junge Mann noch dageblieben. Er hat verstohlen die Gläser auf dem Tisch von rechts nach links geschoben, als würde er aufräumen. So lange bis niemand mehr da war. Außer ihm und der Pfarrerin. Dann hat er sich endlich getraut und gefragt. „Darf ich eigentlich wütend sein auf Gott?“
Die Pfarrerin kennt seine Geschichte. Und sie fragt sich: „Wer wäre da nicht wütend auf Gott?!“ Die beiden sprechen über Verlust, heißen Zorn und Verzweiflung. Und darüber, dass man einen Ort braucht, an dem diese ganzen schlimmen Gefühle lassen kann. Was mache ich denn, wenn mir etwas passiert, das ein tiefes Loch in meiner Seele hinterlässt? Die Autorin Carola Moosbach hat für genau diese Momente Gebete verfasst. Sie nennt sie: Schweige- und Schreigebete.
Was kann ich Dir sagen Gott?, fragt sie. Willst du das wirklich wissen? Wie viel kannst Du ertragen Gott? Was soll ich erzählen? Von der Angst vielleicht? Dem Alleinsein? Wo warst Du Gott? Weißt Du wie es war ganz alleine zu sein? Weißt Du wie es war um Hilfe zu schreien und Du antwortest nicht und bist gar nicht da und wie wütend ich war Gott – wütend auf Dich?
„Möchten Sie so ein Schreigebet mit mir zusammen beten?, fragt die Pfarrerin Tim. „Ja“, sagt er. Und dann falten beide die Hände.