Beiträge

Nachbarn

Nachbarn sind so ein Kapitel für sich. Besonders, wenn man mit ihnen Wand an Wand lebt und fast alles mitkriegt, was sich auf der anderen Seite gerade so abspielt. Aus solchen Erfahrungen ist das Sprichwort entstanden, das auf den Dichter Friedrich Schiller zurückgeht: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Was natürlich auch umgekehrt gilt.

Eine Frau hat mir erzählt, wie sehr sie sich nach ihrem Einzug in die neue Wohnung anfangs darüber ärgerte, wenn sie die Radiosendungen von nebenan voll mit anhören musste. Allmählich gewöhnte sie sich aber daran, unter anderem auch weil ihr Nachbar ihre Vorliebe für klassische Musik zu teilen schien. Sie konnten sich sogar gelegentlich im Treppenhaus darüber unterhalten.

Es ging so weit, dass sie morgens schon auf diese Musik von nebenan wartete; sie selbst hatte gar kein Radio. Und dann – eines Tages – kam nichts von drüben. Sie schaute auf die Uhr, ging dann zur Wohnungstür des Nachbarn, klingelte – ohne Erfolg. Sie wurde allmählich unruhig und rief nach einer Stunde den Notruf an. Polizei und Feuerwehr kamen, brachen die Wohnung auf und fanden den Nachbarn wie leblos neben seinem Bett auf dem Boden liegend.

Als die Polizei die Frau fragte, was ihr denn so verdächtig erschienen war, antwortete sie: „Ich habe seine Musik nicht mehr gehört!“ Das, was sie anfangs genervt hatte, war unentbehrlicher Teil ihres Lebens geworden. Und das hat schließlich sein Leben gerettet.