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Gießen

Meine Oma fliegt in den Urlaub. Eine Woche Bulgarien – Sonne, Hotelbuffet, endlich mal raus aus dem Alltag. Ich freu mich für sie.

Und dann kommt der Nachsatz: „Ach, könntest du in der Zeit bitte meinen Garten gießen?“

Klar. Gießen.
„Ist ja nicht viel“, hat sie gesagt.
„Nur ein bisschen. Jeden Tag. Morgens früh. Und abends nochmal.“

Spoiler: Es ist viel.

Zwei Dutzend Gurkenmulden. Blumenbeete, die sich wie kleine Labyrinthe durchziehen. Rote Bete. Zucchini. Salat. Maisstauden. Knoblauch. Und ganz wichtig: die Tomaten im Gewächshaus.
„Die sind empfindlich. Die brauchen Wasser – aber nicht zu viel!“

Ich habe jetzt also einen Gießplan. Morgens, bevor die Sonne knallt. Abends, wenn’s wieder kühler wird. Und wehe, ich vergesse eine Ecke.

Am Anfang war’s nervig. Ich stand da, Gießkanne in der Hand, Mücken um den Kopf, Erde am Schuh. Und dachte: Warum mach ich das eigentlich? Aber mit der Zeit hat sich was verändert. Ich habe gemerkt: Es ist ruhig da. Kein Handy. Kein Bildschirm. Kein Zeitdruck. Nur Wasser. Erde. Leben.

Und dann hab ich verstanden: Vielleicht geht’s gar nicht nur ums Gießen. Vielleicht geht’s darum, dass meine Oma mir etwas anvertraut. Etwas, das ihr wichtig ist.

Und vielleicht geht’s auch darum, Verantwortung zu übernehmen – nicht, weil man muss, sondern weil man’s kann.

Wenn meine Oma zurückkommt, wird sie als Erstes durch den Garten gehen. Sie wird schauen, ob alles noch steht. Ob die Blüten da sind. Ob genug Wasser dran war. Und wenn sie dann sagt:
„Hast du gut gemacht“ – dann ist das mehr wert als alles andere.