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Volksentscheide

In den Niederlanden hat es gerade vor kurzem einen gegeben. In der Schweiz hat es schon ganz oft einen gegeben. Und in Deutschland soll es künftig immer öfter einen geben, zum Beispiel bezüglich der Asylpolitik. Das ist zumindest die Forderung vieler User in den sozialen Netzwerken. Die Rede ist von einem Volksentscheid. Den Bürgern eines Landes wird dabei ein zuvor vom Gesetzgeber ausgearbeiteter Entwurf zu einer bestimmten Frage vorgelegt. Die Bürger können den dann annehmen oder ablehnen. Auf diese Weise können sie nicht mehr bloß über ihre Vertreter in den Parlamenten entscheiden, sondern direkt über Sachfragen. Das Volk bekommt so mehr Macht. Scheinbar! Denn was zunächst nach mehr Demokratie aussieht, ist in Wahrheit das Gegenteil.

Letztlich verlagert sich bei einem Volksentscheid die Macht eben gerade nicht von den gewählten Volksvertretern auf den einzelnen Bürger, sondern zum großen Teil auf Demagogen, Populisten und gewisse Medien, die diesen Menschen Gehör verschaffen. Die ihnen eine Plattform bieten, um zum Beispiel Angst, Hass und Wut zu schüren.

Ein Volksentscheid über die Asylpolitik wäre sehr gefährlich. Denn wo Politik maßgeblich von solchen negativen Emotionen beeinflusst wird, kommt es zu einer Schieflage. Dort gerät sehr schnell aus dem Blick, was für das Leben grundlegend ist: Mitgefühl, Barmherzigkeit, sowie der Schutz von Schwachen und Minderheiten. Darauf sind wir alle angewiesen. Später oder früher, weniger oder mehr. Nicht umsonst sagt Gott im Alten Testament zu den Menschen: „Jeder von euch beweise an seinem Mitmenschen Güte und Barmherzigkeit; und tut den Witwen, den Fremden und den Armen kein Unrecht.” (Sach 7,8) Eine Entscheidung der Bürger ist nicht automatisch besser als eine Entscheidung derer, die die Bürger zu diesem Zweck gewählt haben. Und: Parlamentarische Entscheidungen können auch dann richtig sein, wenn sie dem Willen mancher Bürger widersprechen.

Wenn ich Politik aktiv mitgestalten möchte, dann habe ich viele Möglichkeiten, das zu tun. Ich kann zum Beispiel demonstrieren gehen, kann einer Partei beitreten und mich dort engagieren oder ich kann mich schlicht an Wahlen beteiligen. Volksentscheide brauche ich dafür nicht.