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Mauern

Da steht sie vor mir und grinst mich an: Hanna, 10 Jahre alt. Nach den Ferien wird sie eine Fünftklässlerin sein. Vor zwei Wochen erst haben wir sie aus der Grundschule verabschiedet.

Wie ich das Mädchen da so vor mir stehen sehe, schießt mir eine Erinnerung in den Kopf: Hanna, im Abschlussgottesdienst in der ersten Reihe, weinend mit ein paar anderen Mädels aus ihrer Klasse. In ihren Gesichtern stand Schmerz, Abschiedsschmerz. Und die Befürchtung, die Klassenkameradinnen und Kameraden nie wieder zu sehen.

Dieses Bild der traurigen Mädchen hat mich sehr berührt.

Nach den Ferien wird sich ja tatsächlich ganz viel für sie ändern. Sie werden sich an der neuen Schule erst zurechtfinden müssen. Mit neuen Fächern, neuen Lehrern, neuen Mitschülerinnen und Mitschülern – da kann einem schon Angst und Bange werden!

Deshalb ging es im Abschlussgottesdienst auch um genau dieses Thema: Ängste! Ein Vers aus dem 18. Psalm war das Motto: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“. Aus Kartons haben die Kinder und ich eine Mauer in der Kirche aufgebaut. Die Steine, das waren Symbole für die Herausforderungen und Ängste, die sich uns im Leben hier und da in den Weg stellen. Manche davon können wir aus eigener Kraft beiseite räumen. Können bestimmte Steine alleine aus der Mauer schlagen. Bei größeren Hindernissen ist das schon schwerer. Da brauchen wir die Hilfe von anderen. Von der Familie, von Freunden oder auch von Gott. Er ist an unserer Seite, steht neben uns, nimmt uns an die Hand und gibt uns den Schwung, den wir brauchen, um die großen Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Ich gehe auf Hanna zu. “Hey Hanna, wie gehts Dir”, frage ich sie. “Gut”, höre ich sie antworten. “Jetzt in den Ferien gehe ich jeden Tag ins Schwimmbad. Gleich bin ich mit meinen Freundinnen verabredet.” Und sie ergänzt, dass sie morgen mit ihrer Mutter die neuen Schulbücher kaufen geht UND ein schickes neues Mäppchen dürfe sie sich auch aussuchen. Wieder grinst Hanna. Mir scheint: Ihre persönliche Angstmauer hat schon einiges an Bedrohlichkeit verloren. Darüber freue ich mich – und grinse zurück.