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Beten

Im Angesicht eines Unglücks sind Menschen oftmals sprachlos, sie wissen nicht genau, was sie sagen sollen – der Hals ist dann wie zugeschnürt, der Kopf leer und doch übervoll. Das Blumenmeer an einer Unglücksstelle, Kerzen und die Plüschtiere sind der verzweifelte Versuch, den Gefühlen eine Gestalt zu geben, das Mitgefühl auszudrücken. Was kann man sagen – als Außenstehender, als eine die vielleicht nebendran wohnt, als einer der noch einmal Glück gehabt hat, freilich betroffen und doch nicht getroffen worden ist?

„Lernen wir auch noch, wie man Gebete schreibt?“ werde ich im Predigerseminar von den angehenden Pfarrerinnen und Pfarrern gefragt und bereite dann für den nächsten Tag eine Einheit zum Thema Gebet vor: Eingangsgebet, Kollektengebet, Fürbitte mit und ohne Kyrie eleison – Herr erbarme dich. Gebete, die Lob und Dank enthalten, die sich über die Schöpfung Gottes und das Leben freuen. Aber auch Gebete mit Klagen und mit Bitten, die Gott erfahrenes Leid vor Augen stellen und bei ihm um einen Ausweg suchen. Was kann ich sagen zu Gott und der Welt? Wie kann ich sprechen zu Gott über die Welt? Wann und wie bringe ich mich ins Gespräch bei Gott mit und ohne Welt?

„Herr, lehre uns beten!“ Auf die Bitte der Jüngerinnen und Jünger gibt Jesus im Neuen Testament eine eindrückliche Antwort. So sollt ihr beten: Vater unser im Himmel! In sieben Bitten folgt dann alles, was elementar zum Menschsein gehört, seine Bedürfnisse und seine Wünsche, das, was das Menschsein ausmacht und existentiell bedeutsam ist. Und das in einfachen Worten ausgedrückt: Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld.

Das Vaterunser ist nicht nur eine Antwort auf eine einmalige Frage, sondern ist zum Gebet der Christenheit weltweit geworden. Es ist das Gebet, das den Leib und die Seele Gott in sieben Bitten anvertraut. Egal, was kommt. Es sind Worte für unsägliches Leid und zugleich für überschäumende Freude, Worte für Glücks- und Unglückszeiten weil du dein Leben mit allem was darinnen ist, in sie hineinlegen kannst.